Die EZB hat die Leitzinsen gesenkt. Warum hat sie das gemacht und was bedeutet das für Sie?

Die Preise steigen nicht mehr so schnell, und die Inflation ist auf gutem Weg, zum 2 %-Ziel zurückzukehren. Daher hat der EZB-Rat vor Kurzem die Leitzinsen gesenkt. Zuvor hatte er sie neun Monate lang auf hohem Niveau gehalten.

Warum hat die EZB die Leitzinsen gesenkt?

Die EZB und die anderen Zentralbanken des Eurosystems haben die Aufgabe, die Preise stabil zu halten. Als die Inflation zu hoch war – also die Preise in unserer Wirtschaft zu schnell stiegen – hat die EZB die Leitzinsen angehoben, um dazu beizutragen, die Inflation wieder zu senken. Sie hat im Juli 2022 mit ihren Leitzinsanhebungen begonnen und diese bis September 2023 fortgesetzt.

Ziel ist es, die Inflation mittelfristig bei 2 % zu halten. Da sich die Inflation nun diesem Zielwert annähert, müssen die Leitzinsen nicht mehr auf einem ganz so hohen Niveau gehalten werden.

Die EZB wird sie jedoch auf einem Niveau halten, mit dem sichergestellt wird, dass die Inflation zu gegebener Zeit auf 2 % zurückkehrt und nicht auf einem höheren Niveau „verharrt“. Das ist sehr wichtig. Denn eine hohe Inflation erschwert Privatpersonen und Unternehmen das Leben.

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Was sind Zinsen?

Zinsen sind die Kosten für die Aufnahme eines Kredits (manchmal werden sie auch als „der Preis des Geldes“ bezeichnet). Wenn Sie zum Beispiel bei einer Bank einen Kredit aufnehmen wollen, müssen Sie sich zunächst auf die zu zahlende Zinshöhe einigen. In der Regel werden diese Zinsen als jährlicher Zinssatz angegeben. Nehmen wir an, Sie nehmen einen Kredit in Höhe von 10 000 € zu einem jährlichen Zinssatz von 5 % auf. Das bedeutet, dass Sie Ihrer Bank zusätzlich zur Rückzahlung des eigentlichen Kredits 500 € pro Jahr bezahlen müssen. Der Zinssatz ist also im Grunde das, was die Bank dafür verlangt, dass Sie Ihnen Geld leiht.

Aber es funktioniert auch umgekehrt. Zinsen sind das Geld, das die Bank Ihnen für Ihre Spareinlagen bezahlt, d. h. wenn die Bank sich Geld von Ihnen „leiht“. Wenn Sie beispielsweise 1 000 € auf ein Sparkonto einzahlen, und diese Einlage mit jährlich 3 % verzinst wird, erhalten Sie nach Ablauf eines Jahres 30 € an Zinsen.

Was führt dazu, dass sich Zinssätze ändern?

Die Zinssätze, die Banken Privatpersonen und Unternehmen anbieten, werden stark von den Leitzinsen beeinflusst, die die EZB festlegt. Wenn die EZB also die Leitzinsen ändert, entwickeln sich die Zinsen für Kredite und Spareinlagen in der Regel weitgehend in dieselbe Richtung.

Die Zinsen für Kredite und Spareinlagen werden aber auch von der Kreditnachfrage und vom Kreditangebot beeinflusst. Also davon, wie viel Unternehmen und Privatpersonen ausgeben und investieren wollen und welches Kreditvolumen zur Verfügung steht.

Die Märkte für andere Waren und Dienstleistungen funktionieren ähnlich. Wenn beispielsweise viele Menschen Erdbeeren kaufen wollen, es aber (saisonbedingt) nicht genügend Erdbeeren gibt, steigt ihr Preis.

Gleichermaßen steigen die Zinsen tendenziell an, wenn Unternehmen und Privatpersonen Geld ausgeben und investieren wollen, aber nicht ohne Weiteres einen ausreichend hohen Kredit dafür erhalten. Die Aufnahme eines Kredits wird dann teurer. Im umgekehrten Fall, also wenn Privatpersonen und Unternehmen viel Geld in Form von Spareinlagen bei einer Bank halten, sinken die Zinsen für gewöhnlich.

Die EZB ist die Zentralbank für den Euro. Sie legt nicht die Zinssätze fest, die Sie für Ihren Kredit zahlen oder für Ihre Einlagen erhalten. Sie beeinflusst sie aber. 

Die EZB legt die sogenannten Leitzinssätze oder „geldpolitischen“ Zinssätze fest. Dabei handelt es sich sowohl um die Zinssätze, die die EZB Banken anbietet, die sich Geld von ihr leihen wollen, als auch um die Zinsen für das elektronische Geld, das sie über Nacht bei ihr deponieren.

Wenn die EZB die Leitzinsen ändert, wirkt sich das auf die gesamte Wirtschaft aus, auch auf die Zinsen für Immobilienkredite, Bankkredite oder Bankeinlagen.

Der EZB-Rat entscheidet etwa alle sechs Wochen über die Leitzinsen.

Wie wirken sich die Leitzinsen der EZB auf die Inflation aus?

Wenn die Inflation zu hoch ist, kann die EZB die Leitzinsen anheben und so Kredite teurer machen. Dies kühlt die Konjunktur ab, senkt die Inflationserwartungen und lässt die Inflation sinken.

Bei einer zu niedrigen Inflation kann die EZB die Leitzinsen senken und Kredite billiger machen, um Investitionen und Ausgaben anzukurbeln. Dadurch steigt die Inflation.

In den letzten Jahren war die Inflation zu hoch. Die Preise, insbesondere für Energie und Nahrungsmittel, stiegen deutlich an. Ein Grund dafür war die Invasion Russlands in der Ukraine. Ein weiterer Grund bestand darin, dass es für viele Unternehmen schwieriger war, die für ihre Produktion benötigten Materialien, Ersatzteile und Arbeitskräfte zu bekommen. Dadurch wurden die bestehenden pandemiebedingten Probleme noch verschärft.

Durch eine entschiedene Zinspolitik bleiben auch die Inflationserwartungen unter Kontrolle

Die Zinserhöhungen trugen durch eine Abkühlung der Nachfrage und die Botschaft, dass die EZB entschlossen ist, die Inflation auf das 2 %-Ziel zurückzuführen, dazu bei, die Inflation wieder zu senken.

Für Zentralbanken ist es wichtig, genau zu verfolgen, mit welchem Preisanstieg Privatpersonen und Unternehmen in der Zukunft rechnen, also wie die Inflationserwartungen sind. Glauben die Menschen, dass die hohe Inflation anhalten wird, werden sie eher höhere Löhne fordern. Unternehmen wiederum könnten dann die Preise erhöhen, um ihre Gewinne zu sichern. So können hohe Inflationserwartungen zu einer Spirale steigender Preise und Löhne führen. Das wird die EZB nicht zulassen.

Indem sie die Leitzinsen anpasst, wenn die Inflation zu hoch oder zu niedrig ist, gibt die EZB Unternehmen, Arbeitnehmern und Investoren das Vertrauen, dass die Inflation mittelfristig bei 2 % liegen wird. Diese Zusage – gestützt durch Maßnahmen – trägt dazu bei, die Erwartung zu verankern, dass die Preise stabil bleiben. Dies ist auch ein Grund dafür, warum die EZB die Leitzinsen jetzt getrost senken kann.